Abroad
Donnerstag, 23. Februar 2012
Ein Abenteuer zum neuen Jahr-Silvester 2011
Die Welt ist nicht genug oder in meinem Fall eher, Chapel Hill. Besonders nicht an Silvester, weswegen Julia und ich uns am 30. Dezember in Richtung New York auf den Weg gemacht haben.

Mutig und abenteuerlustig wie man mit 19/20 nur sein, entschlossen wir uns die Chance zu nutzen, um Couchsurfing auszuprobieren. Wer noch nie etwas davon gehört hat, kann sich das Prinzip schnell selbst erschließen: Während man reist kann man Kontakt zu Couchhosts aufnehmen und dann für einige Nächte auf ihrer Couch "surfen" (übernachten). Eine tolle Lösung für Backpacker oder junge Leute, die umherreisen und sich das Geld fürs Hotel sparen wollen. Auf der Internetseite ist auch jeder Host bewertet, wodurch man sich auch mehr oder weniger sicher sein kann, dass man nicht bei einem totalen Freak auf der Couch landet. Wie gesagt mehr oder weniger...

Schon im November fing ich an mehrere Couchhosts anzuschreiben, um herauszufinden ob ihre Couch verfügbar wäre. Darauf antworteten mir zwei dieser Hosts mit einer Absage, doch einer konnte mir sofort zusagen. Er, ein 36-jähriger Literaturlehrer in New York, mit viel Erfahrung als Couchsufer und als Couchhost, wirkte perfekt und vertrauenswürdig.
Am 23. Dezember kam dann Julia hier in Chapel Hill an und verbrachte Weihnachten und die Woche danach mit meiner Gastfamilie und mir und half mir jeden Tag mit den Kindern und in meiner Freizeit zeigte ich ihr die Gegend. Leider wurde diese Zeit ein wenig gestört, da ich eine Woche vor ihrer Ankunft krank wurde und immer wieder Fieber hatte. Trotzdem schauten wir uns Chapel Hill an und verbrachten ein bisschen Zeit mit meinen Freunden hier.

Am 30. Dezember war es dann endlich soweit, wir fuhren zum Flughafen und um 9 Uhr saßen wir im Flugzeug, um nur kurz danach in New York zu landen.
Das Wetter war traumhaft und überraschend gut für NYC. Nach einer kurzen Taxifahrt fanden wir uns auch schon vor der Wohnung unseres Hosts wieder, in einem der bekanntesten Teile NY, wenn auch nicht einem der Schönsten. Harlem.
Sogar der asiatische Taxifahrer wirkte nervös als er vor dem Reihenhaus anhielt und zischte uns nach der Bezahlung nur zu, dass wir vorsichtig sein sollen und abends nicht allein durch die Straßen ziehen sollen. And diesem Punkt wurde uns das erste Mal klar, dass es auch fürs Abenteuer Grenzen gibt. Doch was sollten wir tun? Wir sind ja nur einmal jung und warum sich schon Stress machen, wenn es noch keinen Grund gibt? So stiegen wir die Treppe hoch und klingelten. Keine Antwort. Ich drückte den Knopf nochmal, ein bisschen länger. Wieder nichts. Nach einigen Minuten sinnlosem Klingelns rief ich unseren Professor an, um ihm mitzuteilen, dass wir da sind. Und er offensichtlich nicht. Der liebe Professor war daraufhin total verwirrt, da wir wesentlich früher dran waren als abgemacht. Er sei beim Frisör. Doch er habe jemanden in der Wohnung der uns öffnen kann. Ich wunderte mich, ob die Person in der Wohnung wohl schon taub war von unserem Dauerklingeln oder ob sie es schon davor war, nachdem sie nicht die Tür geöffnet hatte.
Das Gespräch wurde beendet und wenige Sekunden später surrte der Türöffner und wir wurden im 4. Stock von einem freundlichen Serbin begrüßt. In diesem Moment ging uns auch auf, dass wir anscheinend nicht die einzigen Gäste auf seiner Couch sind. Nach etwa einer Stunde kam dann der Herr des Hauses wieder und erklärte uns, dass wir in seinem Bett schlafen würden, selbstverständlich ohne ihn, da er will das seine Gäste sich wohl fühlen und wir ja zu zweit wären. Das einzige Problem in diesem Moment war, dass man nur schwer feststellen konnte ob das Bett oder die Couch schlimmer war. Das Bett mit Bettwäsche, die so aussah als hätte sie noch nie eine Waschmaschine von innen gesehen oder die Couch, die ungemütlich und nur wenig sauberer aussah. Doch was soll man tun, man ist ja nur einmal jung.
Falls unser Professor jemals seine Wohnung weitervermieten möchte könnte er sie in etwa so beschreiben: 30m² in Schlauchform. Schimmel im Bad, überwiegend in der Dusche. Waschbecken geeignet für Zwerge und "Massageklo" mit beweglichem Sockel, was nur ab und zu so wirkt als würde es von der nächsten Brise umfallen. Erster Raum geeignet zur Untervermietung an die etwa 90-jährige Großtante, die nie ihr Zimmer verlassen möchte. Zweites Zimmer perfekt geeignet, um mindestens 5 Personen einzuquatieren. Durch den nicht vorhandenen Platz kommt umso schneller ein Gefühl der Vertrautheit auf. Die Heizung fällt bevorzugt Abends oder allgemein wenn einem kalt ist aus und dafür morgens um fünf wieder an, sodass man im wohligen Gefühl, in einer Sauna zu schlafen, aufwacht. Sind sie ein Mann in den besten Jahren, der liebt Champagner zu trinken und sich gerne Gäste aus fremden Ländern einläd, dann ist dies die Wohnung ihrer Träume!

Wir breiteten also unsere Sachen auf dem Bett aus und verabschiedeten uns nach kurzer Zeit wieder, da wir unseren ersten Erkundungstrip in die Stadt starten wollten. Unser Gastgeber darauf wieder sehr verwirrt, da er extra Mittagessen mit uns geplant hatte, aber er würde dann einfach mit der Serbin essen. "Your loss", meinte er mit einem Grinsen, nachdem er uns zur Metro Haltestelle gebracht hatte und verabschiedete sich dann.
Wir weinten dem Lammkotletts nicht zu lang nach. Während wir durch den Untergrund New Yorks fuhren planten wir schon unsere Stationen. Zuerst zum Times Square und dann von dort aus weiter. Außerdem wollten wir uns irgendwann mit Emina einem befreundeten AuPair treffen, dass in New Jersey arbeitete. Ich lernte sie in meinen ersten Tagen in den USA kennen und habe seitdem immer mit ihr in Kontakt gestanden und nachdem ich sie einmal besucht hatte und sie mich einmal war sie zu einer guten Freundin geworden.
Egal was man von New York hält, ob man es hasst oder liebt, der Times Square ist für jeden beeindruckend. Die Größe und Gedrängtheit der Hochhäuser und die Menschenmengen scheinen dort täglich neue Dimensionen anzunehmen und Rekorde zu brechen.

Wir beäugten für einige Zeit beeindruckt die Umgebung und streiften im Vorbeilaufen etwa 100 Schultern und erkundigten uns dann nach einem guten Lokal in der Umgebung und nur 30 Minuten später hatten wir einen Ökoburger in der Hand, den wir in Sekunden verschlungen hatten. Öko bedeutet anscheinend auch einen Verlust an Größe, nicht nur an schlechten Inhaltsstoffen.


Gestärkt durch diesen natürlichen Snack machten wir uns wieder auf den Weg zum Times Square, um noch ein paar Läden zu erkunden.
Wenige Stunden später fielen wir erschöpft in unser geliehenes Bett und schliefen bis früh morgens.
Um 5 Uhr morgens wachte ich kurz auf, mit dem sicheren Gefühl, dass ich in einer Sauna eingeschlafen war, um direkt danach wieder einzuschlafen.
Um 10 Uhr war ich dann wirklich wach und Juli drängte, dass wir so schnell wie möglich das "Loch" verlassen und uns auf den Weg in die City machen.
Etwas angeschlagen verließen wir das Apartment in Harlem und fuhren mit dem Metro bis zum Beginn des Central Parks, unserem ersten Zwischenstop. Nach nur 2 Stunden hatten wir den gesamten Park durchquert und waren immer noch verzweifelt auf der Suche nach einem Cafe, da wir noch nicht gefrühstückt hatten.
Mittlerweile schon leicht missmutig streiften wir durch die Menschenmengen in der Fifth Avenue und fanden dann endlich in einer Seitenstraße einen kleinen Imbiss. Dort investierten wir 20 Dollar in Essen und Kaffe und setzten uns dann in einen fensterlosen Raum im Obergeschoss.
Nachdem wir den übersüßen Jogurt mit Früchten und den schlechten Kaffee runtergewürgt hatten fand Juli noch zu ihrem Glück einen Kaschmirschal, das erste gute Erlebnis dieses Tages.

Von der Fifth Avenue flohen wir dann wieder in die Metro, die im Vergleich zu der überfüllten Einkaufsstraße leer wirkte.
Da wir am Vortag mit Emina verabredet hatten uns irgendwo vor der großen Neujahrsfeier am Abend zu treffen, fuhren wir wieder zum Times Square. Letztendlich sollten wir uns aber erst Abends sehen.
Wir verbrachten einige Zeit in Läden und streiften durch die Straßen New Yorks, bis es uns schließlich wieder zum Apartment zog, denn wir hatten mit unserem Gastgeber vereinbart gemeinsam ein Glas Champagner zu trinken zur Feier des Tages. Außerdem war er ganz unglücklich noch keine Chance bekommen zu haben, uns kennenzulernen.

Wir wurden von ihm mit überaus teurem Schaumwein überrascht von dem wir bis um 23.00 Uhr zwei i Flaschen leerten, zusammen mit ihm und der Serbin.
Plötzlich erinnerten wir uns dann aber, dass wir uns losmachen sollten, wenn wir noch irgendwas von dem berühmten Ball Drop sehen wollten.
Los stürmten wir aus dem Apartment, liefen zur Metro und fuhren wieder zu unserer Lieblingshaltestelle, dem Times Square. Dort angekommen wurde uns etwas klar. Um 23.25 Uhr am 31.12. in New York am Times Square, kann man vieles machen, nur eines nicht: Die Metrostation verlassen. An jedem Ausgang und jeder Rolltreppe standen Gruppen von Polizisten, die uns mitteilten, dass es keine Möglichkeit gäbe vor Mitternacht die Metrostation zu verlassen.
Schockiert und unglücklich wollten wir uns gerade auf eine Bank zum Schmollen setzen, als Julia eine fantastische Idee hatte.
Gerade als an uns eine Gruppe schick gekleideter Mittzwanziger vorbeilief, griff sie meine Hand und meinte: " Komm schnell, wir laufen denen einfach hinterher! " Ich, komplett perplex, folge ihr und der Gruppe, die wiederum von einem Polizisten, eine Rolltreppe hochgeführt wird. Oben angekommen werden wir bemerkt. Eine dicke, kleine Frau fängt an auf den Uniformierten einzureden und teilt ihm mehrere Male mit, wir gehörten nicht zu ihrem hübschen Grüppchen. Zu unserem Glück war dieser aber so hoffnungslos überfordert, dass er ihr nicht eine Sekunde zurhörte und uns alle durch eine große Glastür, direkt auf den Times Square führte. Nach einigen Schritten realisierten wir, dass wir nicht irgendwo, sondern direkt vor dem großen Turm, auf dem der Balldrop vollführt wird, waren und wenig später wurde uns auch klar, dass wir durch unsere Dreistheit unkontrolliert in den VIP Bereich geleitet wurden und somit, das übliche Gedrängel, die 8 Stunden warten und alle anderen Übel des Ball Drops im wahrsten Sinne des Wortes hinter uns gelassen hatten, denn hinter uns standen etwa eine Millionen Menschen eng gedrängt und halb erfroren. Aus dieser Richtung hörten wir auch Lady Gaga singen, die einer der Performer an diesem Abend war.

Und schon 10 Minuten später ging es los. Auf einem riesigen Bildschirm wurde von 10 runtergezählt, während der große beläuchtete Ball sich langsam seinem Sockel nährte und zum Schluss das neue Jahr einläutete.
Von überall schallten Jubelschreie nach vorne und um uns rum fielen sich alle in die Arme und wünschten sich gegenseitig ein schönes neues Jahr.

Vor uns wurden schon die Metallbarrieren zur Seite geschoben und wir beeilten uns den VIP Bereich zu verlassen, da wir weder von den Menschenmengen niedergetrampelt werden wollten und ich immer noch befürchtete, dass uns jemand nach einem VIP Pass fragt, den alle anderen in diesem Bereich um den Hals trugen.

In einer Nebenstraße trafen wir dann auch Emina mit einem guten Freund und machten uns gemeinsam auf in Richtung Metro, denn wir planten noch in einen Club zu gehen.
Während der Fahrt schwärmten wir von unserem unglaublichen Glück und der tollen Aussicht von VIP Bereich und quälten Emina, die niedergeschlagen zuhörte, da sie 2 Stunden in der Kälte stand um einen nicht mal annährend so guten Platz zu ergattern.

Schon in der Metro entschlossen Julia und ich, dass wir nicht mehr ausgehen wollten, da ich mich immer noch angeschlafen fühlte und wir am nächsten Tag noch eine Bootsfahrt zur Freiheitsstatue geplant hatten. So entschied auch Emina, dass sie alleine mit ihrem Freund nichts mehr machen wollte und lieber nochmal unseren Gastgeber kennelernen wollte.

Es folgte eine kurze Fahrt nach Harlem, vor der wir uns von Nick, Eminas Bekannten verabschiedeten und dann zwei Stunden rumsitzen in dem Apartment, bis unser Gastgeber stockbesoffen war und eindeutig nicht mehr wusste wo seine Grenzen liegen, weswegen sich Emina dann verabschiedete und wir uns im Bett verkrochen.

Als wir um 11 Uhr aufwachten, lag unser Gastgeber noch betrunken und bewusstlos auf dem Boden, auf der Couch schliefen die Serbin und ein neuer Gast, ein sehr nettes Mädchen aus Schweden, die wir am Vortag kennengelernt hatten.
An unserem letzten Tag fuhren wir wie geplant zur Freiheitsstatue und kehrten beeindruckt von diesem Denkmal zurück zum Festland und trafen uns ein letztes Mal mit Emina und ihrem Nachfolge AuPair, das am Tag zuvor angekommen war. Zu viert fuhren wir zur Brooklyn Bridge, überquerten sie zu Fuß bei starkem Wind und verbrachten unsere letzten Stunden in einem italienischen Lokal.
Von dort brachen wir, nach vielen Umarmungen und Küsschen, wieder nach Harlem auf, um unsere Koffer zu holen und dann mit einem Taxi zum Flughafen zu fahren. Der Abschied war schwer, da es Eminas letzte Woche in New York war und sie kurz darauf die USA verlassen hat und wir uns wahrscheinlich erst im September nächsten Jahres in Deutschland sehen werden.

So ging unser Trip in die Stadt, die niemals schläft dem Ende zu und um 6 Uhr morgens sahen wir das letzte Mal die Straßen New Yorks unter uns, als der Flieger in Richtung Chapel Hill abhob.

Zurück im schönen Chapel Hill ging mir nur ein Gedanke durch den Kopf:"Zum Glück sind wir nur einmal jung!"

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Letzte Aktualisierung: 2012.03.28, 20:16
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